Frühsommersonne und Wiesenblüten bei der Rebmühle
Elmar 5 cm
[neuer Gelatinesilberabzug, 18,5 x 27 cm]
Nein, so sehr die Eisenindustrie dies schöne Hessen-Nassau wirtschaftlich beherrschen mag, die Landschaft übertönt sie nicht, ändert nicht das intime Leben der kleinen Dörfer, die sich eng an die Burgfelsen schmiegen im steilen Gaßauf, Gaßab. Aus dem Gemeinschaftsbackhaus strömen allsonnabendlich Düfte garenden Brotes und herzhafter Kuchen. Frauen eilen mit ihren großen Platten geschäftig ab und zu, verharren ein Weilchen im Schwatz vor den Türen; Männer räumen säuberlich den Hof, Klee- und Grasfuhren bringen vorsorglich das Sonntagsfutter für die Tiere. Selbst die Arbeit atmet Frieden. Fürwahr, diese herzwärmenden Dinge und Geschäftigkeiten unterliegen nicht der Hast der Zeit. Natur bleibt Natur! Bleibt, wie sie Goethes, des jungen Dichters Herz entzückte -, dergestalt entzückte, daß er bei aller Innigkeit des Empfindens nicht glaubte Schritt halten zu können mit dem Wort und so den jungen Werther schreiben läßt an seinen Freund: „Wenn das liebe Tal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht, und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligtum stehlen, ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege und näher an der Erde tausend mannigfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mückchen näher an meinem Herzen fühle und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, wenn‘s dann um meine Augen dämmert und die Welt um mich her und der Himmel ganz in meiner Seele ruhen wie die Gestalt einer Geliebten - dann sehne ich mich oft und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papier das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes! Mein Freund - aber ich gehe darüber zugrunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen.“