Jerusalemhaus bei der unteren Stadtkirche, in dem Jerusalem, das Vorbild von Goethes „Werther“ lebte und den Freitod starb
Elmar 5 cm
[neuer Gelatinesilberabzug, 26,6 x 18,1 cm]
Aus der Enge der unteren Straßen hinauskommend auf die alte Brücke, trifft man auf geschichtsumwitterte Reste der Stadtmauer an der Lahn, hört ein Wehr rauschen und erfährt wenig später von der Breite einer neuen Brücke bestürzt, wie wirklich erhaben doch all das drinnen so kleine Gegassel und Hausgedrängel sich gegen einen nächtlichen Himmel hinaufbaut zur Stadtkrone - dem Dom.
Von hier gesehen gewinnt man wohl am stärksten den imponierend sicheren Eindruck, den die befestigte Stadt im frühen Mittelalter geboten haben muß. Dennoch blieb sie nicht ungeschoren. Es dürfte sich aber erübrigen, auf die ungezählten Streitigkeiten einzugehen, die beispielsweise zwischen Wetzlar und den Herren auf den zahlreichen Burgen bis Frankfurt hin ausgetragen werden mußten. Denn es gehörte gewissermaßen zum guten Ton der Ritter und zur Erleichterung ihrer Lebenshaltung, die Kaufleute mitsamt ihren Warenzügen auf den Landstraßen gewaltig zu schröpfen, sei es in Form unerhörter und ungerechtfertigter Zölle oder brutaler Überfälle. Andererseits sah sich die Stadt immer wieder hineingezogen in die Streitigkeiten der Kaiser, Könige und sogar der Erzbischöfe, indem sie zum Einen oder Anderen Stellung zu nehmen (was immer ein Vabanquespiel war), und vor allem die Kosten mitzutragen hatte. Was Wunder, daß die Steuerschraube mehr and mehr angezogen, die Zölle erhöht wurden, übrigens eins der berühmten und ehrenden kaiserlichen „Privilegien“ mit nicht zu übersehendem Pferdefuß. Das mußte auf die Dauer fremde Kaufleute abhalten, den Wetzlarer Markt zu besuchen und seine Fabrikate auszuführen, um sie schließlich noch durch Beraubung zu verlieren oder durch überhöhte Abgaben diesen Handel sinnlos zu machen. Kurz gesagt - Wetzlar sank nach nur 150jähriger Blüte von seiner hervorragenden Stellung als Stadt einer vielseitigen Produktion und eines lebhaften Handelsverkehrs zurück in die Armseligkeit eines Dorfes, das wie zum Hohn immer noch den Titel einer „Reichsstadt“ trug.