Gotischer Pfeiler mit angeschmiegter Barocktreppe im Dom als Zeuge der vielen Jahrhunderte, die an ihm bauten
Elmar 5 cm
[alter Gelatinesilberabzug, 23,3 x 17,5 cm]
Im Falle Wetzlars ist solcher Entwicklungsgang trotz aller neuzeitlichen und verkehrsbedingten Veränderungen und Erweiterungen noch absolut klar. Man kann sich nur wundern, wie für damalige Zeiten großartig und umsichtig schon die Stadtanlage war, wie sie sich klug dem Flußgelände und der Staffelung der Höhen anpaßte und auch die Lahn als Wasserschutz mit einbezog, indem die Stadtmauer zum Teil an ihr verlief, und die einzige schwere Steinbrücke über sie durch zwei hohe Festungstürme gesichert war, während dem bergan verlaufenden Mauerteil ein trockener Doppelgraben vorlag. Damit war die Enge der ursprünglichen Stadt bedingt und festgelegt, wie alle mittelalterlichen Städte sich im vielstöckigen Gedränge schmaler Häuser aufzubauen pflegten. Es gab und gibt noch heute den großen freien Kornmarkt, den Eisen-, Fisch- und Buttermarkt, welch letzterer jetzt allerdings Domplatz heißt. Schuhgasse, Gewandsgasse, Schmiedgasse, Krämergasse [heute Krämerstrasse], Gänsweid und andere Namen mehr lassen klar erkennen, wie sich die Handwerker geschlossen beisammen niederließen. In der Rahmengasse wurden die Leinwände zum Bleichen gespannt, in der Gewandsgasse verarbeiteten die Schneider die feinsten Tuche aus Brabant für die Herren von Welt. Und wenn sie angesehen und wohl gelitten waren, so nicht nur um ihres guten Handwerks willen, sondern weil sie dem niederen Adel angehörten. So lag es ihnen ob, den nach ihnen benannten Schneiderturm (heute Säuturm geheißen) sowie den anschließenden Teil der Mauer zu verteidigen. Die Umbenennung zum Säuturm fällt in spätere Zeit. An ihm vorbei hatte der Säuhirt den Weg zu nehmen, der aus begreiflichen Gründen mit seiner grunzenden Gefolgschaft nicht mitten durch die Stadt ziehen durfte, wenn er sie zur Stadtweide vor die Mauer trieb. Immerhin stand auch sein niederes Gewerbe in hoher Gunst beim Einzelnen, den es der Sorge um seinen nahrhaften und nützlichen Hausgenossen enthob.