Maria mit Kind über dem frühgotischen Südportal, von unbekanntem Meister um 1400
Telyt 40 cm
[alter Gelatinesilberabzug, 23,3 x 16,3 cm]
DAS MARIENSTIFT
Über Wetzlars direkte Gründung steht nichts fest. Ende des achten Jahrhunderts wird das „Marienstift“ (die Grundlage des jetzigen Doms) erwähnt als Stiftung zweier elsässischer Herzöge, Hermann und Udo, deren Gedächtnis man immer noch am 4. Mai mit kirchlicher Feier begeht. Im großen und ganzen aber scheinen die Lahngauer nicht übertrieben viel vom Christentum gehalten zu haben, denn noch Mitte des achten Jahrhunderts fordert Papst Gregor sie neben den Bewohnern von sieben weiteren rechtsrheinischen Gebieten ernstlich auf, doch endlich ganz vom Heidentum abzulassen. So wurde es wohl an der Zeit erachtet, mit Gründung des Stiftes einiges zum Heil der Seelen zu tun. Ob dies der Ursprung des Namens „Heidentor“ für die älteste Dompforte ist, jenen wundervollen schweren Bau romanischen Stils, steht dahin. Um über Gründung oder Nichtgründung und erste Entfaltung der reizenden Stadt eine Vorstellung zu gewinnen, bedarf es auch keiner urkundlichen Darlegungen, wenn man einen Stich des in seiner Kunst unübertroffenen Städtezeichners Merian um 1634 genauer besieht. Er zeigt mit der Klarheit seiner feinen Strichführung und der seltenen Wahrheitstreue des Geschichtserzählers noch nachträglich, wie um besagtes Marienstift, den späteren Dom, als „Stadtkrone“ dieser Ort nach Bedarf und Zuspruch mählich wachsend Ring um Ring ansetzte, wie der Baum es tut, und so wirklich naturgemäß sich aufbaute und dehnte im heute von uns als romantisch empfundenen Gegensatz zu anderen planmäßig entworfenen und meist von Fürsten angelegten Städten. „Romantisch“ im Sinne des von Geschichte umwitterten Romans einer Stadt.